Nahaufnahmke der Flagge mit dem Stadtwappen Hintergrund blau-weiß

Hüttengelände; Ideenstadtwerke

Ministerpräsident Weil besucht einzigartiges Klimaquartier in Neustadt


Die neue Technologie zur Wärmeerzeugung zeichnet sich durch eine besonders effiziente Wirkungsweise aus. Der Spatenstich erfolgte im September 2019, in Betrieb ist es seit Februar 2020 und bewährt sich aktuell bereits im vierten Winter. "Ein kaltes Nahwärmenetz – klingt seltsam, ist aber sehr überzeugend. Die Ideenstadtwerke in Neustadt am Rübenberge zeigen, wie klimaneutrale Wärmeversorgung gelingen kann. Ich bin beeindruckt, wie gut die Technologie funktioniert und bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ankommt", so der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil.

Bei dem rund eineinhalbstündigen Termin überzeugte sich der Ministerpräsident von der Wärmetechnik und dem Gesamtsystem der kalten Nahwärme vor Ort. Außerdem gab es Einblicke in die Technikzentrale und einen Erfahrungsaustausch mit einzelnen Hauseigentümerinnen und -eigentümern.

Mehrere Personen gehen draußen durch das Wohnquartier, Herr Weil udn Herr Lindauer sind im Gespräch.
Dieter Lindauer (rechts), Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe Neustadt, führt Niedersachsensministerpräsident Stephan Weil (links) durch das Hüttengelände.

Aktuell profitieren von dem neuen Kohlenstoffdioxis-neutralen Wärmeversorgungssystem und dem 3.200 Quadratmeter großen Kollektor 12 Mehrfamilien- und 56 Einfamilienhäuser im "Klimaquartier am Rübenberge". Im Winter lässt sich durch einen Bodenkollektor Wärme im Erdreich sammeln, die dann zentral zu Wärmepumpen in den Häusern geführt wird. Im Sommer lässt sich die Wärme aus den Häusern wieder ins Erdreich zurückführen – und die Gebäude können mit der Technologie in den heißen Monaten sogar gekühlt werden.
"In Rekordzeit haben wir die Energieversorgung des Neubaugebietes geplant und mit der kalten Nahwärme komplett klimaneutral gestaltet. Es brauchte gerade mal neun Monate vom Beschluss zur Realisierung. Wir sind anfangs ein Risiko eingegangen, da wie eine neue Technik der Wärmeversorgung eingesetzt haben. Sowohl Planung, Projektierungm Genehmigung, Bau Hausanschlusswesen als auch das Vertriebs- und Vertragswesen mit Bauherren und Bauträgern sowie der anschließende Betrieb des Wärmenetzes waren herausfordernd. Wir sind stolz auf die Realisierung und auch auf die Realisierungsgeschwindigkeit", so Dieter Lindauer, Geschäftsführer der Ideenstadtwerke. "Bedanken möchten wir uns beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen, kurz LBEG, die uns kritisch konstruktiv begleitet haben. Jetzt bekommen wir deutschlandweit zahlreiche Anfragen von anderen Kommunen, welche ebenfalls solche Netze realisieren möchten", ergänzt Lindauer weiter.

Mehrere Personen stehen draußen im Kreis und sind im Gespräch.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (mitte) und Neustadts Bürgermeister Dominic Herbst (rechts) im Gespräch mit Steffen Schlakat-Hagemann (links), Pressesprecher der Wirtschaftsbetriebe Neustadt.

Neustadts Bürgermeister Dominic Herbst ist ebenfalls überzeugt: "Wir sind sehr zufrieden. Wir konnten dank der Ideenstadtwerke als kommunaler Versorger vor Ort dieses Neubaugebiet deutlich umweltschonender energetisch erschließen. Das Zusammenspiel zwischen Stadt, Aufsichtsrat, Ideenstadtwerken, Stadtplanung und Projektbeteiligten hat hier sehr gut funktioniert. Wir sind damit sehr stolz, in Neustadt diesen mutigen Weg gegangen zu sein."

Während der Energiekrise konnten die Wärmepreise der Hüttengelände-Bewohnerinnen und -Bewohner im Verhältnis zu den Gaspreisen stabil gehalten werden. Ingo Schlei, Leiter Energiedienstleistungen im Ideenstadtwerke-Konzern, weiß dazu mehr: "Die Stadtwerke bieten die Wärme aus dem Netz größtenteils als Contracting-Modell an. Wärmepumpe, Wärme aus dem Netz, Abschluss, Steuerung und Wartung: Alles kommt zu einem Preis aus einer Hand. Dabei liegen die Kosten pro Kilowattstunde Wärme ungefähr gleich auf mit den Kosten für eine Kilowattstunde Gas – nur fällt der Verbrauch aufgrund höherer Wirkungsgrade deutlich geringer aus. Ein Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche lässt sich aktuell für rund 100 bis 150 Euro monatlich beheizen, inklusive aller Kosten wie etwaiger Wartungen, Ökostrom für die Wärmepumpe und Netzinstandhaltung!"

Zum Vergleich: Eine Kilowattstunde Wärme, erzeugt durch eine Gasheizung verursacht rund 260 Gramm Kohlenstoffdioxid. Die Sole-Wasser-Wärmepumpe am kalten Nahwäremenetz setzt null Gramm Kohlenstoffdioxid zur Wärmeerzeugung frei. Pro Jahr lassen sich mit der kalten Nahwärme 1,4 Tonnen Kohlenstoffdioxid pro durchschnittlichem Einfamilienhaus einsparen oder sogar 5,6 Tonnen bei einem Mehrfamilienhaus mit vier Wohneinheiten. 62.400 Buchen müssten nach Endausbau jedes Jahr gepflanzt werden, um den Kohlenstoffdioxid Ausstoß kompensieren, würden die Häuser im Gebiet mit Gas statt mit Nahwärme beheizt werden.

Der Name "kalte Nahwärme" klingt zwar Paradox, ergibt aber bei genauerer Betrachtung sinn. Denn bei der Technologie erwärmt das Erdreich den Rücklauf aus den Wärmepumpen nur um wenige Grad. Das Glykolgemisch in den Kollektorrohren hat dabei schlicht die Umgebungstemperatur im Erdreich. So kommt es beim Transport der im Vergleich zu einer Raumtemperatur von 21 Grad recht "kalten" Flüssigkeit kaum zu Verlusten. Ganz im Gegenteil zur Fernwärme, bei der die Temperaturen oft weit über der Umgebungstemperatur liegen und es daher zu Verlusten bei Transport über längere Strecken kommt.

Ein weiterer Vorteil der kalten Nahwärme: Nicht jedes Haus muss einen Bodenkollektor für eine Geothermie-Wärmepumpe bohren, was kostenintensiv und bei kleinen Grundstücken oftmals nicht möglich ist. Auch gibt es keine Häufung von Luftwärmepumpen, welche zu einer erhöhten Lärmemission führen können. Letztendlich ist von der Technologie bis auf eine kleine Pumpstation nichts sichtbar.

Teamleiter für Gas, Wasser und Wärmenetze sowie Gas-Wasser Meister Günter Beermann hat mit seinem Team die Ausführung geplant und begleitet: "Als Vorreiter ist es nie leicht, eine neue Technik einzuführen. Es gab wenig Erfahrungswerte, auf die wir vertrauen konnten. Trotzdem haben uns viel bewährtes Wissen aus den verschiedenen Bereichen unseres Konzerns sowie die Rückendeckung seitens Aufsichtsrat und Geschäftsführung bei der Umsetzung geholfen. Schließlich blicke ich persönlich ohne Reue zurück: So ein Netz würde ich jederzeit wieder bauen, das ist schon eine tolle Technologie."

Ganz beendet ist das projekt noch nicht: Zwei weitere Bauabschnitte des Quartiers werden zukünftig folgen – die Kollektoren wird sich dann fast verfünffachen.

Fakten:

Bauabschnitt 1
145 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern
12 Mehrfamilienhäuser
56 Einfamilienhäuser
Kollektorengröße: 3.200 qm, Kollektor 2 und 3 werden je 6.100 qm haben
Wärmeabsatz 2022: 744.000 kWh
Leitungslänge der Rohre im Gebiet (nicht Kollektor): 1,5 Kilometer
Verlegetiefe Kollektor: 1,5 Meter einlagig unter Regenrückhaltebecken

Planung Endausbau
110 Wohngebäude
588 Wohneinheiten
Kollektorgröße: 15.400 qm
Zweilagige Verlegung der weiteren Kollektoren